Herr Oberbürgermeister, lieber Kolleginnen und Kollegen,
bereits seit mehr als 30 Jahren gibt es an der Weinsberger Straße eine Moschee inklusive Nebennutzungen. Allerdings – wie heißt es in der Drucksache euphemistisch – in mäßigem baulichen Zustand mit erhöhtem Sanierungsbedarf. Ich würde mal sagen, das aus verschiedenen Gebäuden zusammengestupfelte Ensemble ist ziemlich behelfsmäßig, war nicht von Anfang an als Moschee konzipiert, sondern ist, sicher in viel Eigenleistung, peu à peu – also nicht in einem Guss entwickelt worden. Dazu ist die heutige Parkplatzsituation völlig unzureichend. Die Zufahrts- und Abfahrtssituation direkt auf eine Straße mit bis zu 50.000 Fahrzeugbewegungen am Tag ist gefährlich und behindert immer wieder den fließenden Verkehr.
Deshalb gibt es seit 2011 – in Worten seit zweitausendelf – den Plan von DITIB und Kontakte mit der Stadt, an gleicher Stelle, also dort – ich betone es nochmal – wo es bereits eine Moschee gibt und dort, wo also bereits Baurecht besteht, ein neues Moscheegebäude mit Nebennutzungen zu bauen.
Seitens der Stadt wurde trotz grundsätzlich jetzt bereits bestehenden Baurechts empfohlen, dass DITIB einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan beantragen soll, um eine Neubebauung mit neuen Flächenbedarfen besser anzuschließen an die Umgebungsbebauung und auch um zeitgemäßere und zu den veränderten Umgebungsbedingungen passende Architektur zu ermöglichen als ohne neues Planungsrecht. Und niemand kann doch ernsthaft meinen, dass eine Ortsbausatzung von 1939 und Baulinienpläne von 1954 oder 1959 im 21. Jahrhundert noch die richtigen Antworten geben können auf die städtebaulichen Herausforderungen. Und wer sich dort unten umschaut, sieht mit dem Theater und dem K3 gegenüber, dem westlich des fraglichen Grundstücks gelegenen Hochhaus, der massiven Bebauung im Osten sehr deutlich, dass wir dort inzwischen eine verdichtete, in die Höhe gebaute innerstädtische Gesamtlage haben, zu der die bisher möglichen Baufelder so nicht mehr passen.
Darüber hinaus hat die Verwaltung die Durchführung eines internationalen Architekturwettbewerbs empfohlen. Dem ist DITIB nachgekommen. Vertreter der Stadt waren in dieses Verfahren eingebunden. Der Wettbewerb brachte als Siegerentwurf eine moderne Architektur eines muslimischen Gebetshauses mit Nebennutzungen hervor, das an dieser Stelle eine Aufwertung der städtebaulichen Situation bewirken wird – ganz so, wie es in einem Sanierungsgebiet – hier Nordstadt II Paulinenstraße- das Ziel ist. Dieses haben wir 2013 beschlossen und die Grundstückseigentümer waren – im Gegensatz zum gleichen Versuch beim Wollhaus – willens , die städtebauliche Situation zu verbessern.
Und seit vielen Jahren gab und gibt es seitens DITIB Gespräche mit den Gemeinderatsfraktionen. Es ist also seit beinahe einem Jahrzehnt klar, dass sich DITIB am bisherigen Standort baulich verändern möchte.
In all diesen Jahren fanden neben dem Wettbewerb zusätzlich Abstimmungen mit der Verwaltung statt zu funktionalen Erfordernissen und von verschiedener Gemeinderatsseite wurden mehrfach Veränderungen eingefordert. Zum Beispiel zum Thema Zu-und Abfahrt zur Tiefagarage und zur Anzahl der Stellplätze. All diese Erfordernisse wurden seitens der Vorhabenträger in die Planungen eingearbeitet. Ein Wort zu den Stellplätzen: natürlich werden die bei Hochbetrieb nicht ausreichen – wie übrigens bei vielen weiteren Einrichtungen in der Stadt auch nicht. Aber genau dafür liegt das Projekt ja sehr günstig, nämlich neben mehreren fußläufig leicht zu erreichenden öffentlichen Tiefgaragen und direkt neben einer Stadtbahnhaltestelle. Wir sehen hier die Verantwortlichen in der Pflicht- wie wir das auch bei sonstigen Einrichtungen tun – ihre Besucherinnen und Besucher entsprechend hinzuweisen. Bei Falschparken muss es natürlich von Anfang an konsequent Strafzettel geben, damit klar ist, wie das zu laufen hat. Im Juli 2020 wurde mit dem Vorhabenträger ein Durchführungsvertrag geschlossen, in dem sich DITIB verpflichtet, das Vorhaben in einer bestimmten Frist durchzuführen. Ein solche Vertrag signalisiert natürlich im Gegenzug, dass es der Stadt wichtig ist, dass das Vorhaben auch verwirklicht wird.
Was jetzt noch fehlt, ist die Einleitung eines offiziellen baurechtlichen Verfahrens zur Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans, über dessen Einleitung die Stadt nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden hat. Wir sehen hier nach 10 Jahren Vorlauf mit dem geschilderten Ablauf keinen aus dem Baurecht – und um das geht es hier – entstehenden Grund, diese Aufstellung nach pflichtgemäßer Ermessensabwägung zu verwehren. Das ist dann der Beginn des öffentlichen Verfahrens, bei dem auch die Nachbarschaft intensiv mit einbezogen wird, ebenso wir Träger öffentlicher Belange und in dem dann auch Dinge wie Parkplätze nochmals diskutiert werden.
Die derzeitige inhaltliche Ausrichtung von DITIB kann in dieser Debatte keine Rolle spielen. Eine Auseinandersetzung mit deren Inhalten muss an anderer Stelle stattfinden. Wir Grünen führen diese immer wieder, auch mit örtlich Verantwortlichen von DITIB, denn wir gehen absolut nicht mit allem d accord, für was DITIB im Moment steht. Und wir vertrauen auf unseren Rechtsstaat, der mit seinen Möglichkeiten hier – genau wie bei anderen Einrichtungen und Institutionen genau hinschauen muss. Grundsätzlich gilt in diesem Rechtsstaat aber auch das hohe Rechtsgut auf freie Religionsausübung.
Die AfD kommt jetzt mit einer Verlagerung der Moschee an einen anderen Ort daher. Dies nach beinahe 10 Jahren Planung am bisherigen Standort und mit der Begründung, eine Ghettobildung – schon allein der Begriff ist zu hinterfragen – verhindern zu wollen. Ist es nicht gerade auch ein Integrationshemmnis, Einrichtungen wie Moscheen aus der Stadt hinaus in Gewerbegebiete oder den Stadtrand schieben zu wollen oder welchen Ort oder Platz habe Sie vorgesehen als Alternativstandort? In Gewerbelagen findet jedenfalls garantiert keine nicht extra organisierte Berührung innerhalb der Stadtgesellschaft statt. An einem zentraleren Ort ist dies eher zu erwarten und sollte von allen Beteiligten angestrebt werden.
Wir Grünen werden also heute der Einleitung des vorhabenbezogenen Bebauungsplans zustimmen.
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