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Rede zum Neckarbogen II

Redebeitrag Susanne Bay MdL im Heilbronner Gemeinderat

Herr Oberbürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen,

nun komme ich berufsbedingt viel rum im Ländle, gerade auch mit dem Thema Bauen und Wohnen. Dabei merke ich: Heilbronn hat vielen anderen Kommunen eine Sache voraus: Wir sind Eigentümerin richtig vieler Bauflächen und das auch noch im Innenbereich. Dadurch haben wir maximale Gestaltungsmöglichkeiten, was die Bebauung, also die Gestaltung von Stadt, ich möchte sagen Stadt der Zukunft anbetrifft.  Da gönne ich mir dann tatsächlich ein wenig Stolz.

Denn wir haben im Bauabschnitt I im Neckarbogen  in vielem diese Chance genutzt und es ist ein vielbeachtetes und preisgekröntes  Beispiel für urbanes Wohnen mit ambitionierten energetischen Konzepten, spannender äußerer Anmutung, nachhaltigen Baumaterialen und außergewöhnlichen Nutzungskonzepten entstanden.

Deshalb ist es absolut folgerichtig, für die weitere Aufsiedlung einen entsprechenden sorgfältigen hochkarätigen Auswahlprozess vorzunehmen wie beim ersten Mal, quasi vom Verfahren her eine Konzeptvergabe in vollendeter Form.

Und es bietet sich uns die einmalige Chance, aus dem Guten, was bisher entstanden ist das rauszufiltern, was genau so bleiben kann oder was noch besser gemacht werden kann und, diese Dinge gibt es aus unserer Sicht eben auch: besser gemacht werden muss.

Da ist zunächst das Verkehrskonzept: Wer heute in den Neckarbogen geht sieht: Das Verkehrskonzept im ersten Bauabschnitt ist im Grunde gescheitert. Es hat nur in der Zeit der Buga deshalb funktioniert, weil eben eine Einfahrt ins Gebiet verboten war. Quasi am Tag nach Ende der Schau hat sich der motorisierte Individualverkehr das Gelände unbarmherzig erobert. Warum: Weil ausschließlich auf Tiefgaragen gesetzt worden war. Und ich muss es jetzt echt mal machen, das Ding mit dem hätte und der Fahrradkette und sage: Die Quartiersgarage, die wir Grünen immer gefordert haben, fehlt an allen Ecken und Enden um neben den Autos der Bewohner*innen auch Autos von Besucher*innen, Mitarbeiter*innen der Geschäfte und Kundi*innen Parkraum zur Verfügung zu stellen. Im Grunde ist der Neckarbogen wegen diesem eklatanten Versäumnis seit Tag 1 nach Buga optisch mit überall rumstehenden Autos ein Wohngebiet wie jedes andere auch. Sehr sehr schade. Da können wir noch so oft einen modal split von 30 zu 70 zugunsten von Fuß, Rad und ÖPNV und ein autoarmes Quartier ins Fenster stellen, wenn wir nicht den Rahmen dafür schaffen. Und dies wurde leider versäumt.

Diese Erkenntnis hat sich jetzt ausweislich dieser Drucksache bei der Verwaltung auch durchgesetzt und die Quartiersgaragen sind geplant. Aus unserer Sicht ist es jetzt das allererste, was gebaut werden muss.

Wir Grünen können unter dieser Bedingung – wie sie bemerken – sogar damit leben, dass unter Teilbereichen der Gebäude Tiefgaragenstellplätze gebaut werden können. Denn: Das Verkehrskonzept sieht vor, dass diese in den Hochgaragen abgelöst werden können. Das heißt, niemand ist gezwungen einen Tiefgaragenstellplatz zu bauen, der bei dem vorhandenen Untergrund mal schnell ab 40.000 Euro kostet und natürlich die Preise für die Wohnungen mit in die Höhe treibt. Und wenn die Hochgarage das bietet, was moderne Hochgaragen bieten können, nämlich quasi ein Mobilitätshub zu sein mit vielen mobilitätsfördernden Angeboten, dann ist das ein richtig attraktives Angebot, das viele gern annehmen werden für einen Bruchteil des finanziellen Aufwands einer Tiefgarage. Vielleicht schaffen wir es dann beim folgenden Bauabschnitt ganz ohne Tiefgaragen.

Zu einem weiteren Punkt: Wir haben uns im Handlungsprogramm Wohnen tatsächlich viel vorgenommen: Nämlich für eine auskömmliche Wohnraumversorgung entlang der Bedarfslage der Heilbonner*innen zu sorgen. Diese Bedarfslage muss also bei jeder Bebauung unsere Grundlage sein. Wir Grünen sehen ganz deutlich: Die Bedarfe an sehr hochpreisigen Wohnungen in Heilbronn werden bedient und sind bereits gut gedeckt. Woran es fehlt, sind Wohnungen im geförderten und mittleren Preissegment. Im Bauabschnitt I haben wir es ohne Quote gerade mal auf 9% geförderten Wohnraum gebracht. Bei diesem Thema ist quantitativ großer Nachholbedarf und auch inhaltlich.

  1. Inhaltlich: solange in einer Gemeinderatsdrucksache der Begriff „soziale Wohnraumquote“ steht, besteht Aufklärungsbedarf. Die Menschen, die geförderten Wohnraum nachfragen, sind in der Regel nicht sozial in Schwierigkeiten oder gar schwach (sowieso ein schwieriges Wort), sondern können aus wirtschaftlichen Gründen die im Moment aufgerufenen Mieten nicht bezahlen. Menschen in sozial schwierigen Lagen gilt natürlich auch unsere Sorge, auch in gefördertem Wohnraum, aber der überwiegende Teil der Menschen, die solche Wohnungen nachfragen, sind mitten in unserer Gesellschaft unterwegs: Für eine vier köpfige Familie beträgt das Einkommen, bis zu dem sie einen Wohnberechtigungsschein erhalten kann ca. 70.000€. Wir reden hier also von der Polizistin mit einem Mann teilzeit in der Krankenpflege, von der Bäckereifachverkäuferin und vielen anderen Menschen, die die Infrastruktur in Heilbronn für uns alle mit aufrechterhalten. Und diese Menschen müssen aus unserer Sicht auch in der Stadt zwingend wohnen können. Wir denken ebenso an Menschen im Rahmen der Inklusion, die sich selbstverständlich auch ein Leben in unserer Stadt, unter uns, wünschen.
  2. Quantitativ: Schätzungen gehen davon aus, dass bis zu 50% einer Stadtgesellschaft theoretisch einen WB-Schein erhalten könnten. Was sie nicht tun, weil viele ja auch schon seit Jahren gut und bezahlbar wohnen, das darf man ja auch nicht vergessen. Dennoch ist eine Quote von 15 %, wie sie die Verwaltung vorschlägt oder von 20%, wie sie CDU, FWV und FDP vorschlagen trotzdem völlig am Bedarf vorbei.

Zumal es inzwischen auf Landesebene ein richtig gutes Förderprogramm gibt, das die finanziellen Nachteile, die eine Vermietung unter der örtlichen Vergleichsmiete für Investoren bringt, ausgleicht. 3500 Euro pro qm anrechenbare Baukosten ohne Grundstückskosten, die können extra gefördert werden, das ist nicht nichts.

Und weil wir Grünen der Meinung sind, dass die Stadt nicht nur über Verpflichtungen wie Quote agieren sollte, schlagen wir gemeinsam mit weiteren Fraktionen zusätzlich zur Landesförderung ein Programm vor, das z.B. über Zuschüsse pro Quatratmeter gefördert erstelltem Wohnraum den Bau solche Wohnungen auch finanziell unterstützt.

Wir schlagen Ihnen also eine Quote von 30% Prozent vor, gepaart mit einer Zusatzförderung durch die Stadt: Hierzu ist nochmal eine Zahl interessant: Wir haben in der mitteilfristigen Finanzplanung 8,7 Mio Euro Einnahmen aus diesem Bauabschnitt eingeplant. In der Drucksache ist jetzt von 11,8 Mio die Rede. Gut für den gebeutelten städtischen Haushalt, aber ein kleiner Teil dieser Summe kann für eine entsprechende Bezuschussung der willigen Investoren verwendet werden. Die Stadtsiedlung allein kann den Bedarf an gefördertem Wohnraum nicht decken. Wir sehen hier auch andere Akteure in der Pflicht.

Einen solchen Zuschuss können wir uns auch für besonders im öffentlichen Interesse liegende Projekte vorstellen, hier möchten wir gemeinsam mit Ihnen eine Türe offenhalten, wir haben Ihnen einen Antrag dazu erarbeitet. Im Bauabschnitt I ist zum Beispiel das inklusive Wohnen im Skaio nur möglich gewesen, weil die Stadtsiedlung an die Grenze ihrer Möglichkeiten gegangen ist, dies können wir auch von unserer Tochter nicht unbegrenzt verlangen. Hier wäre ein Abschlag hilfreich gewesen. Ihn sollte es in Zukunft geben können.

Gut finden wir, dass die Verwaltung die Quote zukünftig an den Flächen, nicht an der Zahl der Wohneinheiten wie bisher orientieren möchte. Wir Grünen haben die Wirksamkeit der bisherigen flexiblen Quote – ein Widerspruch an sich schon im Wort – mit einer Anfrage bei der Verwaltung erfragt, da kam genau dies unter anderem als  eines von vielen Problem zutage, jetzt wird da zumindest gegengesteuert.

Nun zu weiteren Vorschlägen der Verwaltung: Sehr gut ist es, dass Baugruppen wirklich im Bauabschnitt gewollt werden. Hier haben sicher auch die guten Erfahrungen bisher den weiteren Boden bereitet. Ein Problem sehen wir allerdings auf uns zukommen: Durch Corona haben sich Findungsprozesse in diesem Bereich verzögert. Uns scheinen deshalb die 60%, die bereits im Auswahlverfahren als gesetzte Mitglieder feststehen müssen zu hoch. Wir finden es richtig, dass hier geschaut wird, dass nicht Scheinbaugruppen sich melden, aber bei den 60% bitten wir um coronaindizierte Flexibilität, um hier nicht Dinge zu verunmöglichen.

Etwas mehr Flexibilität wünschen wir uns auch, was die Gebäudehöhen anbetrifft. Wenn nicht überall Tiefgaragen in der Erde sind, können vielleicht auch halb versenkte Geschosse mit Tageslicht Raum bieten für Gewerbe oder Wohnen. Hier sollten wir offen sein auch für kreative Ansätze. Da wird sicher das Auswahlverfahren, auf das wir uns wirklich sehr freuen, innovative Wege mitgehen, wenn sie passen und uns voranbringen.

Sehr gut finden wir den vertieften cradle to cradle-Ansatz im Gestaltungshandbuch. Der Gedanke war ja auch schon im alten drin, aber ausformuliert hat es deutlich mehr Gewicht. Wenn man weiß, dass Zement für 8% des CO2-Ausstoßes verantwortlich ist, dann erkennt man, welcher Hebel steckt in nachhaltigen Baumaterialen, Recyclinstoffen etc. Hier kommt auch die Novellierung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes, die eben im Land gemacht wird zur richtigen Zeit, gerade was Recyclingstoffe angeht. Auch das Thema Integration erneuerbarer Energien hat mehr Gewicht im Handbuch: Gut. Da gibt es richtig spannende Sachen mit gebäudeintegrierten PV-Anlagen. Schön, wenn Heilbronn hierbei auch voran geht.

Sie sehen, wir Grünen finden Vieles gut am neuen Bauabschnitt, hoffen auf viele prima Bewerbungen (manche haben absichtlich nicht im ersten Bauabschnitt eingeben, um nicht allzu sehr unter Druck zu stehen zeitlich, wobei wir natürlich schon darauf achten müssen, dass die Bauzeiten nicht ausufern), wir freuen uns auf die Umsetzung und bitten um Zustimmung für unsere gemeinsamen Anträge mit anderen Fraktionen, damit der Bauabschnitt II ein autoverkehrsarmes Quartier für Heilbronner*innen tatsächlich der unterschiedlichsten Lebensentwürfe wird. Dann bin ich sicher, dass man auch weiterhin irgendwie zwischen erstaunt und anerkennend auf Heilbronn schauen wird.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit !

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