Wie kriminelle Finanzpraktiken in die Gesellschaft wirken, war Thema beim Gespräch mit Susanne Bay und Gerhard Schick
Finanzpolitik rückt vor allem durch Skandalmeldungen ins Interesse der Öffentlichkeit – und verschwindet schnell wieder bis zum nächsten Eklat. Sehr deutlich wird das aktuell: Wirecard, CumEx oder FinCen-Files werfen ein verheerendes Licht auf die betrügerischen Machenschaften der Finanzwelt. Einer, der das Kind beim Namen nennt, ist Dr. Gerhard Schick, Ex-Bundestagsabgeordneter und Gründer der Bürgerbewegung Finanzwende e.V. Genau deshalb war er jetzt zu Gast im Online-Veranstaltungsformat „Schwätzen statt hetzen digital spezial“ der Heilbronner Landtagsabgeordneten Susanne Bay.
„Man muss Geldwäsche als das bezeichnen, was sie ist: kriminell“, sagt Schick. „Es ist erschreckend, was da läuft“, vor allem, wenn man die Konsequenzen bedenkt: „Banken stützen mit ihren Machenschaften autokratische Systeme und die politischen Reaktionen, die ich sehe, sind nicht überzeugend.“ Dort wo es nötig wäre hinzuschauen, erkennt Schick breites Versagen der Aufsichtsmechanismen, ob nun bei Zoll, Bankenaufsicht oder Bundesfinanzministerium. Die Chat-Teilnehmer interessierten sich denn auch speziell für diese Seite der Medaille. „Wer kontrolliert die Kontrolleure?“ war eine der Fragen aus der Runde. Bei hochqualifizierten Wirtschaftsprüfern sieht Schick hier zum Beispiel Fehlanreize, wenn diese gleichzeitig die Unternehmen beraten, die sie auch prüfen. Und ihm fehlt eine sichtbare Sanktionierungswirkung, wenn Rechtsverstöße festgestellt werden.
„Wie geht man also den Kampf gegen Windmühlen an?“ fragte ein anderer Chat-Teilnehmer. „Wir müssen die Skandale nutzen, um die Öffentlichkeit aufzuklären und um die Aufsichtsbehörden besser aufzustellen“, ist Schicks Antwort. Schließlich gehe es nicht nur um finanzielle Einbußen, sondern vor allem um fatale Signale an Steuerzahler, Kleinanleger oder überschuldete Privathaushalte, für die die Umverteilung von Vermögen von unten nach oben nicht nachvollziehbar ist. Ganz zu schweigen davon, dass der Finanzsektor durch seine Investitionen den Klimaschutz hemme und große Banken das so genannte Divestment oft nur als Feigenblatt im Portfolio haben.
Nachbesserungsbedarf sieht Schick auch bei den so genannten Cum-Cum- bzw. Cum-Ex-Geschäften, Steuerbetrug im ganz großen Stil. Hier sei es mittlerweile zwar gelungen, die Staatsanwaltschaft Köln etwas besser aufzustellen, aber der Unterbau in der Steuerfahndung und Polizei fehle fast gänzlich, erklärte er.
„Das muss im Interesse des Staates sein, hier die Kapazitäten auszubauen, schließlich geht es allein bei Cum-Ex um einen Steuerverlust von 10 Milliarden Euro“, unterstützte Susanne Bay Schicks Argumentation: „Nur, wenn wir diese Themen öffentlich diskutieren, können wir ein Stück mehr Transparenz, Nachvollziehbarkeit und im Idealfall Gerechtigkeit gewinnen.“
Berichterstattung L-TV ab 7:51 Min unter: https://www.l-tv.de/files/content/interim/regionalreport/20200923_tages-web.mp4
Weitere Informationen unter: Vier Länder fordern gesetzliche Sonderregelung zur Verjährung bei Cum-Ex-Geschäften
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